Die Wildspitze 3.770 m – am Dach von Nordtirol

Die Wildspitze ist mit einer Höhe von 3.770 Metern der zweithöchste Gipfel Österreichs. Wohl auch deshalb zieht es Jahr für Jahr tausende Alpinisten auf diesen Gipfel. Die Wildspitze hat aber auch einiges zu bieten. Für mich ist sie einfach nur ein wunderschöner Berg auf dem die Aussicht grandios und an klaren Tagen praktisch nur von der Erdkrümmung begrenzt wird. Die Wildspitze gehört zu meinem jährlichen Pflichtprogramm und deshalb nahm ich die Gelegenheit gerne wahr, die Wildspitze im Rahmen der Rodel Austria-Naturbahn Aktion 9 Länder – 9 Gipfel mit meinem Bruder Thomas Kammerlander (amtierender Europameister und Gesamtweltcupsieger im Rennrodeln auf Naturbahn) ein weiteres mal zu besteigen.

von Gerald Kammerlander | Sportdirektor-Rodel Austria Naturbahn

Die Wildspitze, eine Tagestour auf den höchsten Gipfel Nordtirols

Ich war schon unzählige Male auf der Wildspitze, als Tagestour, im Rahmen von Mehrtagestouren und auf praktisch allen Routen die dieser imposante Berg zu bieten hat. Ich gebe aber zu, dass ich dieses Mal doch ein wenig Bauchweh bei der Routenplanung hatte. Unser Zeitbudget gab uns eine Tagestour vor und eine Aufstiegshilfe wie etwa bei der Route vom Pitztal über das Mittelbergjoch und den Taschachferner kam für uns nicht in Frage. Wir wollten uns den Gipfel mit seinen ca. 1.900 Höhenmetern im Aufstieg sozusagen „ehrlich“ erarbeiten. Bauchweh hatte ich vor allem aufgrund meiner Kondition. Diese konnte ich noch nicht so richtig einschätzen da ich diesen Sommer erst zwei 3.000er Besteigungen in meinen Beinen hatte. Mein Bruder und Tourenpartner Thomas Kammerlander musste sich um diese Dinge keinen Kopf zerbrechen. Einem aktiven Naturbahnrodel-Spitzensportler welcher im täglichen Training steht, sowie an die Höhe bereits durch viele alpine Hochtouren gewöhnt ist, bringt diese Tour konditionell nicht unbedingt an seine Grenzen. Einen Otto Normalverbraucher wie mich allerdings schon 😉

Der Wecker klingelte um 03:00 Uhr

Die Route unserer Wahl war der Normalweg vom Bergsteigerdorf Vent über das Mittarkarjoch auf den Südgipfel der Wildspitze.

Hierbei müssen ca. 1.900 Höhenmeter bewältigt werden und um der Staugefahr beim Nadelöhr des Klettersteigs zum Mitterkarjoch vorzubeugen wollten wir zeitig los.

Um 03:30 Uhr beluden wir unser Auto und fuhren von Umhausen los nach Vent . Unser Auto parkten wir beim gebührenpflichtigen Parkplatz beim Sessellift (1.882 m) und um halb 5 nahmen wir dann die ersten steilen Höhenmeter bei stockfinsterer Nach in Angriff. Unser erstes Etappenziel war die Breslauer Hütte auf einer Höhe von 2.844 m. Diese Hütte nehmen die meisten Bergsteiger als Ausgangspunkt für eine Besteigung der Wildspitze und uns war klar, dass sich bald bereits die ersten Bergsteiger in der Hütte langsam fertig machen und aufbrechen würden. Also wollten wir die ersten 1.000 Höhenmeter zur Hütte so schnell als möglich hinter uns bringen. Der Weg zur Hütte schlängelt sich zuerst steil entlang der Lifttrasse (mit dem Sessellift könnte man sich ca. 500 Hm einsparen) bevor er dann in einen breiten gut markierten Wanderweg direkt hoch zur Hütte übergeht. Wir schlugen ein entsprechendes Tempo an (ca. 650Hm pro Stunde) und erreichten somit um 06:00 Uhr die Breslauer Hütte. Aufstieg der Österreichischen Naturbahnrodel-Stars auf die Wildspitze erfolgt über die Breslauer Hütte. Mit dabei Thomas Kammerlander

Thomas und Gerald Kammerlander auf dem Weg zur Wildspitze. Im Bild die Breslauer Hütte im Ötztal
Unser erstes Etappelziel die Breslauer Hütte im Morgengrauen

Mittlerweile streichen auch schon die ersten Sonnenstrahlen über die gegenüber liegenden Gipfel. Vor der Hütte war es bereits verdächtig ruhig und es tummelten sich nur noch wenige Bergsteiger auf der Terrasse. Die meisten hatten wohl bereits den Aufstieg in Angriff genommen. Wir setzten nach einer kurzen Trinkpause unseren weiteren Aufstieg in Richtung Mitterkarjoch fort. Der Weg ist Anfangs noch gut markiert und führt uns durch ein weites Schuttkar.

Kurz hinter der Bresslauer Hütte öffnet sich in weites Schuttkar unterhalb der Wildspitze
Am Ende des Schuttkars befindet sich der Einstieg zum Mitterkarjoch. Rechts im Bild zeigt sich das erste Mal die Wildspitze.

Mittlerweile konnten wir auch mehrere Seilschaften ausmachen die sich alle noch im Schuttkar befanden. Diese wollten wir noch unbedingt überholen um unter den ersten beim Einstieg zum Mitterkarferner zu sein. Zum Glück hatten es die restlichen Bergsteiger nicht allzu eilig und uns gelang es Seilschaft um Seilschaft zu überholen. Beim Anlegeplatz für unsere Gletscherausrüstung (Steigeisen, Klettergurt, Helm, Pickel usw.) haben wir bereits alle überholt und somit konnten wir als erste die steile Eisrinne hoch zum Einstieg des Klettersteigs in Angriff nehmen.

Mitterkarferner und Einstieg zum Mitterkarjoch
In der Bildmitte sieht man die steile Eisrinne hoch zum Mitterkarjoch (3.468 m)
Thomas Kammerlander am Klettersteig zum Mitterkarjoch
Thomas am Klettersteig zum Mitterkarjoch
Gerald Kammerlander am Klettersteig zum Mitterkarjoch
Gerald kurz unterhalb des Mitterkarjochs

Der ursprüngliche „Normalaufstieg“ über die 45°-Rinne ist bei festem Firn oder gesetzter Schneeauflage „nur“ mäßig schwierig, bei Blankeis ist jedoch perfekte Pickel- und Steigeisentechnik mit den Frontzacken nötig, ggf. sind Eisschrauben für Zwischensicherungen zu setzen. Die Stein- bzw. Eisschlaggefahr in diesem Bereich ist enorm und daher ist unbedingt auf andere Seilschaften zu achten. Weil sich die Verhältnisse (Eis und Steinschlag) der Rinne von Jahr zu Jahr verschlechtern, hat man vor einigen Jahren einen mäßig schwierigen Klettersteig (B/C) über Fels errichtet, damit die Gefahrenstelle umgangen werden kann. Hier staut es sich an Schönwettertagen extrem, brechen alle Bergsteiger zu selben Zeit von der Hütte auf und benötigt das Klettern in Seilschaft sowie mit Steigeisen an den Füßen einfach Zeit. Da wir, wie bereits gesagt die ersten in der Rinne waren konnten wir zügig und ohne Unterbrechung hoch zum Mitterkarjoch (3.468m) steigen.

Es eröffnet sich uns eine imposante Gletscherwelt

Die Sonne kommt am Nordgipfel der Wildspitze zum Vorschein
Die Sonne kommt am Nordgipfel der Wildspitze zum Vorschein
Thomas Kammerlander am Taschachferner
Thomas Kammerlander am Mitterkarjoch
es werden die letzten Vorbereitungen für den finalen Anstieg auf die Wildspitze getroffen
Die Ausrüstung wird nochmals kontrolliert

Das Mitterkarjoch stellt auf dieser Route die Schlüsselstelle dar. Hat man diese gemeistert erwartet einem auf den letzten 300 Höhenmetern eine wahre Genuss-Gletschertour hoch zum Gipfel der Wildspitze. In einer großzügigen Schleife umgehen wir am Taschachferner die große Spaltenzone, queren dabei aber immer wieder einzelne Spalten.

Aufstieg zur Wildspitze über den Taschachferner. Im Bild Rodelstar Thomas Kammerlander
Am Taschachferner. Links ist das Mitterkarjoch noch gut erkennbar
der Gipfelaufbau der Wildspitze, Rodel Austria Naturbahn
der Gipfelaufbau der Wildspitze (Bildmitte)

Am höchsten Gipfel von Nordtirol

Der darauffolgende Linksbogen am Gletscher führt uns zum Gipfelaufbau der Wildspitze, die mit leichter Kletterei im kombinierten Gelände (Fels, Schnee, Eis) von uns zügig erklommen wird. Nach insgesamt 3:45 Stunden Aufstieg stehen wir glücklich um kurz vor 08:30 Uhr am höchsten Gipfel von Nordtirol.

Gerald Kammerlander auf der Wildspitze
Gerald am Südgipfel der Wildspitze. Rechts vom Kreuz ist der dritthöchste Gipfel von Österreich zu sehen – die Weißkugel
am Südgipfel der Wildspitze, Rodel Austria Naturbahn
Panorama vom Südgipfel der Wildspitze mit Blickrichtung Südost
Thomas Kammerlander am Nordgipfel der Wildspitze, Rodel Austria Naturbahn
Thomas Kammerlander am Nordgipfel der Wildspitze. Im Bild rechts ist der Südgipfel mit dem Gipfelkreuz zu sehen.
Panoramablick in Richtung Nordwest vom Nordgipfel der Wildspitze
Panoramablick in Richtung Nordwest vom Nordgipfel der Wildspitze. Im Bild links ist die Aufstiegsroute zu sehen.

Die Aussicht wird nur von der Erdkrümmung begrenzt

Das Panorama ist einfach phänomenal. Mit einer Schartenhöhe 2.266 Metern landet die Wilspitze sogar auf Rang 4 in der Liste der prominentesten Berge der Alpen. Da am heutigen Tag jedoch gefühlte -10 Grad vorherrschen und uns ein eisiger Wind um die Ohren pfeift verweilen wir nur kurz am Gipfel und entscheiden uns kurzerhand für den östlichen Abstieg über Nordgipfel und den Rofenkarferner. Wir klettern also den teils luftigen Grat zum Nordgipfel rüber und steigen erneut steil zum Taschachferner ab. Dann wird der Gipfelaufbau der Nordgipfels großzügig umrundet und nach einem kurzen Gegenanstieg kommen wir dann auf einen kleinen Sattel. Von diesem Punkt aus kann der Rofenkarferner nach einem kurzen Abstieg über Geröll unschwierig betreten werden.

Der Abstieg erfolgt über den Nordgipfel der Wildspitze, Rodel Austria Naturbahn
Über den steilen Nord-Ost Hang erreichen wir erneut den Taschachferner
Der Gipfelaufbau des Nordgipfels der Wildspitze wird großzügig umrundet, Rodel Austria Naturbahn
Den Gipfelaufbau des Nordgipfels umrunden wir großzügig
Der weitere Abstieg zur Breslauer Hütte erfolgt über den spaltenreicheren Rofenkarferner
Der etwas spaltenreichere Rofenkarferner

Am etwas spaltenreicheren Rofenkarferner

Der weitere Abstieg erfolgt dann über den südlich gelegenen Rofenkarferner. Diese Route ist auf jeden Fall eine lohnende und auch einsamere Alternative zur Route über das Mitterkarjoch. Auch wenn die Route über diesen Gletscher etwas spaltenreicher als die über seinen nördlicher gelegenen Kollegen – dem Taschachferner ist. Der Ausstieg vom Rofenkarferner erfolgte rechterhand über Schutt und Geröll bevor man einen kleinen Steig in Richtung Breslauer Hütte erreicht. Als wir diese dann erreicht hatten war es nicht mehr weit. Noch ein gut halbstündiger Abstieg zur Bergstation Stablein des Sessellifts und es war geschafft. Denn anders als beim Aufstieg, nahmen wir die Hilfe des Sessellifts beim Abstieg gerne in Anspruch. Insgesamt benötigten wir für unsere Tour ziemlich genau 6 Stunden.

Unsere Tourdaten im Überblick:
  • Ausgangspunkt: Parkplatz Talstation Sessellift in Vent (1.890m)
  • Endpunkt: Wildspitze (3.770m) – ca. 3 3/4 Stunden
  • zu bewältigende Höhenmeter: 1.880m
  • unsere Route: Vent – Breslauer Hütte – Mitterkarjoch – Wildspitze – Überschreitung zum Nordgipfel – Abstieg über den Rofenkarferner – Breslauer Hütte – Bergstation Sessellift
  • Die Tour wurde als Tagestour mit einer Gesamtdauer von ca. 6 Stunden von Thomas Kammerlander und Gerald Kammerlander unternommen.
unsere Route auf die Wildspitze, Rodel Austria Naturbahn
unsere Route im Überblick

unsere Route auf die Wildspitze, Rodel Austria Naturbahn

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